Werner Wolfrum

Der Holzwurm von Klinkrade

Man sieht ihn kaum, aber man hört viel von ihm, immer öfter und immer deutlicher. Und zwar in vielen Ländern dieser Erde. Ich spreche von Werner Wolfrum, jenem Dreiundvierzigjährigen, der auszog um mit der Kunst aus Holz unsere Gemeinde international bekannt zu machen. Jedes Jahr im Mai und im Oktober, wenn vor der ehemaligen Tischlerei Groth am Kleverberg, und auch auf den benachbarten Grundstücken, unzählige Autos aus der ganzen Republik parken, dann drechseln Hobbytischler aus England, Österreich, Neuseeland, Holland, Schweden und auch aus unseren Landen an den Maschinen. Lautlos und für die Gemeinde kaum wahrzunehmen wird unser Dorf in dieser Fachwelt einen Platz in der ersten Reihe einnehmen. Und die meisten unserer Bewohner wissen (noch) nichts von dem Mann, der uns hinter verschlossenen Türen so viel Gutes tut. "Maderas heißt auf spanisch Holz", antwortet Werner Wolfrum auf die Frage, warum seine Firma in Klinkrade diesen Namen trägt. Und Holz ist das Material, aus denen die Träume wahr werden, die er und unzählige Hobbydrechsler in der Stille der alten Tischlerei entstehen lassen.

Werner hält in der linken Hand den Kaffeebecher, in seiner rechten liegt das Handy, das ständig klingelt. Er ist unumstritten ein gefragter Mann, immer höflich und sachkundig erteilt er Auskunft, beantwortet Fragen und gerät auch schon mal in ein längeres Gespräch mit dem Partner am anderen Ende der Leitung. An den Wänden hängen fein säuberlich Werkzeuge zum Drechseln, Schnitzen, oder zum Bildhauen, die man lieber zu Hause bei sich hätte, als sie hier zu bestaunen. Aus hochwertigem Stahl und meist in England geschmiedet, bietet Werner diese Edelwerkzeuge zum Verkauf an. Das ist das eine Standbein, auf dem er steht. Auf dem anderen Bein ruhen seine Erfahrungen und seine Kunst mit Holz umzugehen.

Der Lebenslauf unseres Nachbarn, der seit sieben Jahren in Klinkrade wirkt, ist für viele unter uns kaum nachzuvollziehen. 1960 kam er in Mölln zur Welt, entschied sich 15 Jahre später bereits sein Leben dem Holz zu widmen und lernte in der Firma Bernhöft in Ratzburg den Beruf des Tischlers. Um die kunstvolle Verarbeitung zu intensivieren baute er nach der Lehre Stilmöbel in der Firma Busch in Kastorf. In dieser Zeit verfeinerte er die Drechselkenntnisse vor allem in der barocken und Biedermeierverarbeitung. Wenn Werner in einem Unternehmen genug der vorhandenen Vielfalt dazugelernt hatte, dann zog es ihn weiter, in andere Betriebe, wo er sich immer noch weiter vervollständigen konnte. Sei es bei dem Polstermöbelhersteller Lemke in Büchen gewesen, wo Werner zum ersten Mal mit Rattan in Verbindung gebracht wurde, oder in der Werkkunstschule in Flensburg, als Ausbildungsstelle zum Innenausbautechniker für Läden und Boutiquen. Nie konnte er genug an Erfahrungen sammeln, immer wollte er noch mehr lernen, ständig musste er seine Qualität unter Beweis stellen.    Mehr und mehr verkroch er sich in die Materie Holz, kannte jegliche Beschaffenheiten und die Eigenschaften für die Herstellung der unterschiedlichsten Gegenstände.

Der Holzwurm bohrte sich immer tiefer in diese Materie, so tief, bis er schließlich am anderen Ende der Welt seinen Kopf in Australien aus dem Holz steckte. Hier erkannte er, dass man das Handwerk auch von der anderen Seite betrachten kann. Etliche Jahre verbrachte er in Melbourne in diversen Unternehmen als verantwortlicher Projektleiter für Küchenmöbel.


 
 


Die Wiedervereinigung 1990 wollte Werner in der fernen Heimat hautnah miterleben und reiste als Urlauber in seine Heimatstadt Mölln. Es sollte wirklich nur ein Urlaub sein, denn nie hätte er seine Kontakte, Freunde und Bekannte im Land der Blauen Berge aufgegeben. Aber sein eigenes Gütesiegel holte ihn ein. Es war einer seiner ehemaligen Chefs, die davon erfuhren, dass Werner in Mölln war. So war es nur noch eine Frage von kurzer Dauer, Kontakt aufzunehmen und dem Abtrünnigen ein Angebot zu machen. Der Osten war zwar geöffnet, doch es fehlte überall an Haustüren. Und Werner baute sie in unzähligen Stückzahlen, denn in seiner Branche boomte es wie nie zuvor Er hatte einen guten Job. "Doch die Eckpfeiler stehen noch heute in Australien". Ein bisschen Wehmut klingt durch, als er mir diesen Teil seines Lebens erzählte. Die Treuhand ließ auch nicht lange auf sich warten und engagierte Werner als Projektleiter für die Möbelbranche in Berlin. Aber wieder packte ihn das Fernweh und so verschlug es ihn nach Osteuropa. In Polen baute er 18 Boutiquen, in Moskau stampfte er zwei Supermärkte aus dem Boden und in Sankt Petersburg errichtete er einen Supermarkt und zwei Boutiquen. Danach zog er sich nach Hamburg zurück und leitete von dort aus das Büro für Ostprojekte. Werner hatte mittlerweile vier Geschwister, einen Bruder und drei Schwestern. So ergab es sich, dass er für seinem Bruder Ralf einen Warengutschein in Klinkrade abholen sollte. Otto von Franzecky hatte damals die Tischlerei Groth angemietet und führte nicht nur Drechselkurse durch, vielmehr verhalf er auch den Absolventen zu geeigneten Werkzeugen von höchster Qualität. So sollte auch Ralf per Geburtstagsgeschenk in diesen Genuss kommen. Doch die Übergabe des Warengutscheines dauerte vier Stunden und endete mit einem Mieterwechsel der Tischlerei, weil der Alte einen Nachfolger und der Neue eine Werkstatt suchte. Zwei glückliche Zufälle prallten nun hier in Klinkrade aufeinander. Werner reiste nach England, besprach mit den Werkzeugherstellern den Wechsel in Klinkrade und sicherte sich die weitere Zusammenarbeit mit ihm. Otto starb im Mai 1997, aber seine Frau hatte sich mit Werner geeinigt und die Übernahme konnte problemlos stattfinden. Sieben glückliche Jahre sind nun vergangen. Werner arbeitet seit dieser Zeit unauffällig. Vielleicht auch ein Grund dafür, dass sich weder der Bürgermeister, noch ein Gemeinderatsmitglied in der alten Tischlerei gezeigt hat. "Als Steuerzahler der Gemeinde wäre es doch sicherlich interessant, woher diese Gelder kommen", sagt Werner. Und scherzhaft fügt er hinzu: "Vielleicht interessiert sich der Bürgermeister ja auch einmal für mein Handwerk, den richtigen Schliff würde ich ihm schon gerne zeigen."

 

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